Was auf den ersten Blick als niedliches, freches Kätzchen erscheint, offenbart bei genauerem Hinsehen teuflische Züge: Die schmalen Augen funkeln angriffslustig, und aus dem Mundwinkel kommt kaum merklich ein kleiner spitzer Zahn zum Vorschein. Es ist genau diese Ambivalenz zwischen einer harmlosen, idyllischen Kinderwelt und einer unterschwelligen Bedrohung, die die Bilderwelten von Yoshitomo Nara so einzigartig macht. Nara bedient bewusst das Kindchenschema, so dass seine kindlichen Figuren einerseits „kawaii“ (süß) erscheinen, sich andererseits dahinter aber tieferliegende, universell gültige Emotionen verbergen, die von Wut über Traurigkeit bis hin zur Rebellion reichen. Bekanntheit erlangte der einstige Meisterschüler von A. R. Penck in den 1990er-Jahren mit seinen „Angry Girls“. Ungeachtet des Geschlechts betrachtet Nara seine Figuren, die in der Regel als Einzelakteure auftreten, in gewisser Weise als Selbstporträts, knüpfen sie doch unter anderen an seine eigenen Kindheitserinnerungen an. Nara wuchs als sogenanntes Einzelkind mit Katze auf. Umso weniger verwundert es, dass die Katze bzw. das Katzenkostüm seit seinem allerersten Kunstwerk ein wiederkehrendes Motiv in seinen Arbeiten ist.
Anklänge an das Formenvokabular und die Ästhetik von Cartoons und Animes sind unübersehbar, Nara selbst weist eine Verwandtschaft mit Letzterem allerdings rigoros zurück und beruft sich stattdessen auf gänzlich andere Einflüsse, die westliche Kinderbücher ebenso beinhalten wie Punk Rock und andere subkulturelle Strömungen. Seine Zeichnungen, die immer auch soziale Ordnungen und Bedingungen umkreisen, hält er unmittelbar und direkt auf verschiedensten Materialien wie Kuverts, Flyern oder Pappe fest.