1975 schuf Laib den ersten seiner berühmten Milchsteine, die bis heute als Werkkategorie weitergeführt werden. Dabei handelt es sich um rechteckige Platten aus poliertem, weißem Marmor, in deren obere Fläche eine minimale Vertiefung geschliffen wird. Der Künstler füllt diese Vertiefung dann mit Milch und schafft so die Illusion eines festen weißen Gebildes. Das Eingießen von Milch in die Höhlung des Steins betrachtet Laib als ein Ritual, an dem sich auch andere beteiligen sollen. Er selbst führte nur den ersten Gießvorgang aus; der Eigentümer des Werks oder die Mitarbeiter der ausstellenden Galerie oder des Museums müssen in der folgenden Zeit am Ende jeden Tages den Stein leeren, reinigen und am nächsten Morgen wieder mit frischer Milch füllen.
Die Milchsteine sind eine Verbindung aus Natur und Minimal Art, aus Kraft und Verletzlichkeit, aus Flüssigkeit und Festem. Sie reflektieren Laibs tief empfundene philosophische Weltsicht, die entscheidende Einflüsse aus der fernöstlichen und arabischen Spiritualität aufgenommen hat. Laib, gelernter Mediziner, hat in seiner Kunst früh den Versuch unternommen, zu einer ganzheitlichen Sicht auf das Leben zu gelangen – lange bevor dieser Begriff modisch geworden ist.