Für Beuys war das Medium der Zeichnung ein Experimentierfeld für Ideen - wobei er jegliche Art von Notizen, seien es tiefschürfende Erläuterungen zu politischen Themen oder beiläufige Kritzeleien auf Papier, als Zeichnung definierte. Sie dienten ihm als Anschauungsmaterial im Unterricht und als wichtige Ausdrucksform. Er bezeichnete sie als "Reservoir" für Ideen und als "Batterie", die ihm Energie lieferte. In seinen Zeichnungen offenbart sich eine überraschende Zartheit und Sensibilität.
In der vorliegenden Zeichnung hat der Künstler eine Reihe von drei glockenförmigen Objekten, möglicherweise Lampen, auf hohen quadratischen Säulen dargestellt. Darüber schwebt ein rechteckiges schwarzes Energiefeld. Auf die Rückseite des Energiefeldes hat Beuys „Lucera“ auf das Blatt geschrieben.
Beuys war 1943 als junger Soldat mehrere Monate in Foggia, Apulien stationiert. Vom nahen Militärflughafen Amendola aus flog die deutsche Luftwaffe nach Kroatien und zur Krim, wo Beuys später abgeschossen wurde.
Beuys liebte Italien und gewann durch seine offene Art bald Freunde und Bekannte unter den Einheimischen. „Italien ist wunderschön“, schrieb er an seine Eltern. Dort beschloß er auch, Künstler zu werden. Er traf Gleichgesinnte und eine Künstlern aufgeschlossene Atmosphäre. 1974 schuf er ein Buch mit 75 Siebdrucken, dem er den Titel „Die Leute sind ganz prima in Foggia“ gab. Sein Leben lang erinnerte er sich gern an diese Zeit. In keinem anderen Land außerhalb Deutschlands hatte Beuys mehr Ausstellungen als in Italien.
Lucera ist eine geschichtsträchtige Kleinstadt nahe Foggia. Es wurde erstmals 326 v. Chr. als Verbündete der Römer im Zweiten Samnitischen Krieg schriftlich erwähnt, 633 von den Byzantinern zerstört und im 13. Jahrhundert von Kaiser Friedrich II wieder aufgebaut, dessen Kastell noch heute steht. Es könnte das Energiefeld sein, an das Beuys dachte, als er „Lucera“ auf die Rückseite des vorliegenden Werkes schrieb.