Das Kreuz taucht in Tàpies‘ Werk in unzähligen Varianten auf: ob als zentrales Bildmotiv, gestalterisches Kompositionsprinzip oder scheinbar beiläufig platziertes Zeichen. Es kann sowohl gleichlange Seiten als auch die T-Form aufweisen, als geneigte Version oder in Gestalt eines X auftreten. So vielfältig die Ausführung des Kreuzes ausfällt, so komplex ist auch dessen Bedeutung. Das Kreuz ist in den Werken Tàpies‘ nicht nur eine Referenz an den Anfangsbuchstaben seines Nachnamens und somit Ausdruck seiner künstlerischen Identität sowie Autorschaft, sondern im Kontext der christlichen Ikonografie und der Passion Christi zu verstehen, obgleich der streng religiös erzogene Tàpies sich von den Praktiken der katholischen Kirche bereits in jungen Jahren distanzierte. Vielmehr sah er sich mit der Mystik verbunden, „um zu Erkenntnissen vorzustoßen, die sich auf anderem Wege nicht einstellen“ (Catoir 1997, S. 89). Der mittelalterliche Mystiker und Philosoph Ramon Llull, auf den sich Tàpies vielfach bezog, erkannte im Kreuz das einzig wahre und bedeutungsvolle künstlerische Sujet.